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Jüdische Bevölkerung

Erinnerungen

Erinnerungen an die jüdische Bevölkerung

Einige Rechnitzerinnen und Rechnitzer erzählen über die jüdische Bevölkerung und ihre Deportation im Jahr 1938:

Frau K.: „Ich kann mich noch gut erinnern. In der Judengasse waren viele Juden, die Adler, Familie Blau, Familie Stern, Frankl, Benau, der hatte Lederwaren. Mein Vater ist immer zu ihnen einkaufen gegangen. […] Er war mit den Juden sehr gut. Wenn er mal nicht zahlen konnte, dann haben sie ihm gern gegeben, weil sie gewusst haben, dass sie das Geld eben später bekommen werden. […]“

Frau O.: „Es waren ja so viele Juden in Rechnitz und keiner hat gewusst, wo die hingekommen sind. ‚Die sind alle ausgewandert‘, hat es geheißen. Es sind auch welche ausgewandert. So wie der Graner Doktor, der war Arzt in Rechnitz, der ist ausgewandert nach Montreal, der lebt noch dort, also jetzt lebt er nicht mehr. […]“

Herr J.: „Wie ich von der Schule heimgekommen bin, waren die Juden alle schon fort. Ich war tief betroffen. Aber man durfte sich ja gar nicht erkundigen. Du liefst Gefahr, als Judensympathisant zu gelten. Man hat erzählt, dass sie die Straße haben waschen müssen. Ich konnte mich nicht einmal nach meinem Klassenkameraden, dem Spiegler Jenö erkundigen. Die waren 1938 gleich nach dem Umbruch weg. Ich hab nie wieder etwas von ihm gehört. […]“

Quelle: Schwarzmayer, Eva: Rechnitzer Geschichten. Oberwart 2000, S. 30-34.

Erinnerungen von vertriebenen südburgenländischen Jüdinnen und Juden

Marietta Fluk (geb. Radocz) wurde 1932 in Stadtschlaining geboren. Ihr Vater, Ludwig Radocz kam aus Budapest. Die Mutter, Ilona Heinrich Radocz, und ihre Familie stammte aus Stadtschlaining. Mariettas Vater war bildender Künstler und gestaltete Malereien auch in der katholischen Kirche von Stadtschlaining. Ihre Eltern ließen sich scheiden als sie 3 Jahre alt war. Ihre einzige Erinnerung an das Jahr 1938 waren die Nazis, die an die Haustür klopften, und an ihre Mutter, die sie anhielt still zu sein und nicht zu sprechen. Uniformierte Nazis kamen ins Haus und durchsuchten es. Die Familie wurde gezwungen Stadtschlaining zu verlassen. Mit der Hilfe von ein paar sehr guten Freunden war es ihnen möglich nach Wien zu flüchten. Von da gelang es Marietta, ihrer Mutter und ihrem Onkel Arthur Heinrich, mit der Hilfe anderer Familienangehöriger, die Stadtschlaining schon früher verließen, in die USA zu emigrieren. Ihre Halb-Schwester ging mit ihrem Vater nach Budapest. Sie hörte nie wieder von ihnen. 2001 kehrte Marietta Fluk zum ersten Mal zu einen Besuch nach Stadtschlaining zurück. Sie verstarb im Juni 2008.

Kurt Heinrich wurde 1921 in Wien geboren. Seine Eltern kamen aus Großpetersdorf, wo er und seine Schwester Herta die Sommerferien bei seinen Verwandten verbrachten. Die Familie der Mutter war katholisch, sein Vater stammte aus einer jüdischen Familie. Im April 1938 wurde das Geschäft seines Onkels in Großpetersdorf von der Gestapo beschlagnahmt, die jüdische Familie väterlicherseits aus dem Burgenland verwiesen. Sein Vater, der zu dieser Zeit bei der Italia Schifffahrtslinie arbeitete konnte vielen eine Passage nach Argentinien beschaffen. Allmählich begann die Familie Heinrich die Gefahr, die auch für sie bestand, zu erkennen. Kurt Heinrichs Eltern beschlossen, ins Ausland zu fliehen. Noch im selben Jahr konnte die Familie Heinrich Österreich in Richtung Buenos Aires verlassen. In Buenos Aires konnte Kurt Heinrich trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Familie Chemie studieren. Nach seinem Studium begann er 1948 in einer Textilfabrik, später als Direktor der chemischen Abteilung einer Lampenfabrik, zu arbeiten. Im Jahr 1957 bekam er eine Stelle in den USA, wo er sich als Wissenschaftler in der Röntgenspektrographie und der Entwicklung von Elektronensonden spezialisierte und zu einem weltweit anerkannten Fachmann wurde. Seine spätere Tätigkeit als Regierungsbeamter im nationalen Normungsinstitut der USA brachte ihn 1965 zu einem Vortrag an die Technische Universität in Wien. Es war sein erster Besuch in Österreich nach 1938, der ihn auch das erste Mal nach der Vertreibung seine alte Heimat Burgenland wiedersehen ließ. Kurt Heinrich lebt bis zu seinem Tod 2015 in der Nähe von Washington.

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