Jüdische Bevölkerung Oberpullendorfs
Jüdische Bevölkerung Oberpullendorfs
Im Bezirk Oberpullendorf gab es mehrere jüdische Gemeinden. In Oberpullendorf selbst lebten nur wenige jüdische Familien. Laut Volkszählung im Jahr 1934 lebten im Burgenland 3.632 Jüdinnen und Juden. Deutschkreutz und Lackenbach waren neben Kobersdorf, Nikitsch, Neckenmarkt und Kaisersdorf die größten jüdischen Gemeinden des Bezirkes. Die jüdischen Familien aus Oberpullendorf besuchten an hohen Feiertagen die Synagogen in den umliegenden Gemeinden wie z.B. jene in Lackenbach.
Am 11. März 1938 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in Österreich, erst am Tag darauf marschierte die deutsche Wehrmacht ein. In der Nacht auf den 12. März kam es bereits zu ersten Verhaftungen, bei denen auch jüdische Männer festgenommen wurden. Darauf folgten erste Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung sowie Plünderungen ihrer Wohnungen und Geschäfte. Diese wurden durch die lokalen Ortsgruppen der NSDAP, der SA und der sich schnell organisierenden Gestapo durchgeführt. Nur wenige Familien wurden vorher durch nichtjüdische Personen gewarnt. Das Burgenland war das erste Gebiet des Deutschen Reiches, aus dem die gesamte jüdische Bevölkerung vertrieben wurde. Beraubungen und Beschlagnahmungen wurden durch die Gendarmerie, lokale SA-Einheiten, NSDAP-Mitglieder, die Kriminalpolizei, Gestapo, SS und die Wehrmacht durchgeführt. Viele Familien flüchteten vorerst nach Wien oder in andere größere Städte und dann ins Ausland, um den Nationalsozialisten zu entkommen. Vielen gelang aber die Flucht ins Ausland nicht mehr, da viele Staaten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ihre Grenzen für Flüchtlinge schlossen und eine Visumspflicht einführten.
Familie Leker
Familie Leker
1926 wurde Meir Leker in Oberpullendorf geboren. Er war der Sohn eines in der Ukraine geborenen Rechtsanwalts und einer galizischen Mutter. Sein Vater diente im Ersten Weltkrieg in der österreichisch-ungarischen Armee an der Ostfront. Nach Kriegsende absolvierte er an der Universität Wien sein Rechtsanwaltsstudium, wo er auch seine Frau kennenlernte. Diese flüchtete gegen Ende des Ersten Weltkrieges mit ihrer Familie aus Galizien und ließ sich in Wien nieder. Meir Lekers Vater, Hermann, begann seine Rechtsanwaltskarriere in Oberpullendorf als Partner der jüdischen Kanzlei Kahane. Mit seiner jüngeren Schwester waren sie die einzigen jüdischen Kinder in Oberpullendorf. Die anderen vier jüdischen Familien, die ebenso Anwaltsfamilien waren, waren kinderlos. Da es in Oberpullendorf keine Mittelschule gab, musste Meir Leker 1936 – mit zehn Jahren – in Wien zur Schule gehen. Dort besuchte er bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 ein jüdisches Gymnasium. In der Nacht des Anschlusses wurde sein Vater zusammen mit den anderen jüdischen Anwälten aus Oberpullendorf von örtlichen SA-Männern wegen angeblicher „kommunistischer Tätigkeit“ verhaftet. Hermann Leker wurde noch im März 1938 unter der Bedingung, das Burgenland zu verlassen, wieder freigelassen. Die Familie flüchtete nach Wien, von wo sie ihre Ausreise nach Palästina planten. Falls sie bis 31. Mai 1938 das Gebiet des Deutschen Reiches nicht verlassen würden, drohte ihnen die Deportation nach Dachau. So blieb der Familie nichts anderes übrig, als ohne gültige Einreisepapiere für Palästina nach Triest zu fliehen. Die Brüder von Meir Lekers Mutter waren bereits in Tel Aviv und versuchten, eine Einreisebewilligung für die Familie zu bekommen. Diese wurde im Juli 1938 ausgestellt und die Familie erreichte noch im selben Jahr Tel Aviv. Meier Leker schloss in Palästina die Schule mit Matura ab und trat danach der illegalen jüdischen Verteidigungsorganisation „Hagana“ bei. Als Offizier half er jüdischen Einwanderern über die syrische Grenze nach Palästina. 1947 zog Meir Leker nach London, um dort Jus zu studieren. Er unterbrach aber 1948 sein Studium für sechs Monate, um am israelitischen Freiheitskrieg teilzunehmen. 1952 kehrte er nach Tel Aviv zurück und war in der Anwaltskanzlei seines Vaters tätig. Seine Eltern blieben bis zu ihrem Tod in Israel. Meir Leker ging 1962 in einer diplomatischen Mission nach Brüssel, ab 1967 war er in Paris für die UNESCO tätig.
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Jüdische Opfer aus Oberpullendorf
Jüdische Opfer aus Oberpullendorf
Anna Lakenbacher, geborene Preis, wurde in Neunkirchen geboren und lebte mit ihrem Mann Eduart vor dem Zweiten Weltkrieg in Oberpullendorf. Sie fiel der Schoah in Schabatz (ehem. Jugoslawien) zum Opfer. Ihr Textilwarengeschäft wurde arisiert und fiel Anton F. aus Steinberg in die Hände. Ein Gerichtsverfahren wegen dieser Arisierung und des Erwerbs von Warenvorräten jüdischer Geschäfte wurde aber im März/April 1949 eingestellt.
Grete Hochberg wurde 1905 in Oberpullendorf geboren, während des Krieges lebte sie in Wien. Auch sie wurde Opfer der Schoah.
Quellen
Verwendete Literatur
Sabine Lichtenberger / Gert Tschögl: Zur burgenländisch-jüdischen Geschichte. In: Alfred Lang [u.a.] (Hg.): Vertrieben. Erinnerungen burgenländischer Juden und Jüdinnen. Wien: 2004, 494-513.
Susanne Uslu-Pauer / Eva Holpfer: Vor dem Volksgricht. Verfahren gegen burgenländische NS-Täter 1945-1955. (= Bgld. Forschungen Bd. 96), Eisenstadt: 2008, 176.
Internetquellen
Interview mit Meir Leker vom 19.9.2005, Lebensgeschichtliche Interviews mit vertriebenen (jüdischen) BurgenländerInnen, Burgenländische Forschungsgesellschaft. Online unter: http://www.forschungsgesellschaft.at/interviews/oberpullendorf.html [letzter Abruf: 18.8.2020].
O.V.: Ansiedelung jüdischer Familien im Burgenland. Online unter: https://www.burgenland.at/themen/wissenschaft/opferdatenbank/opfergeschichten/die-ansiedelung-juedischer-familien-im-burgenland/#c1865 [letzter Abruf: 25.8.2020].
Yad Vashem, Datenbank.