Bedeutung
Die burgenländischen Jüdinnen und Juden lebten nach allen Regeln der Religion und Gelehrsamkeit in organisierten Gemeinden. 250 Jahre lang zählten sie zu den bedeutendsten orthodoxen Gemeinschaften in Europa und waren für das heutige Österreich einzigartig.
Die jüdischen Schulen waren Bewahrer von Religion und Tradition und stellten daher ein wesentliches Element der Gemeinden dar. Zentren der jüdischen Gelehrsamkeit bildeten die „Talmud-Tora“-Schulen in Mattersdorf, Deutschkreutz und Eisenstadt.
Lernkultur
Die jahrtausendalte spezifische Lernkultur der Jüdinnen und Juden besitzt eine bemerkenswerte Vorrangstellung, weil sie über ein vielseitig einsatzbares und erprobtes Mittel zur Problemlösung und Bewusstseinsbildung verfügt, d.h. jüdisches Lernen findet überall dort statt, wo es um Auseinandersetzung und Zugehörigkeit zum Judentum geht.
Jüdisches Lernen heißt „Buchlernen“, ist somit durch das Schüler-Buch-Verhältnis bestimmt und der Lehrer tritt – als Kommentator oder Helfer – nach Bedarf hinzu. Mit Buch ist Sefer ha sforim, das Buch der Bücher gemeint, wobei der Talmud und die rabbinischen Schriften miteinbezogen sind.
Lernstätten
Jede jüdische Gemeinde verfügte über ein „Lehrhaus“ – meistens nur ein Zimmer, das vom Betsaal getrennt war, häufig identisch mit der Jeschiwa (Talmudhochschule), in dem sich die erwachsenen Männer zum „Lernen“ trafen. Das Lernen selbst bedeutet nicht ein klassen- oder schichtenspezifisches Privileg Einzelner, sondern ist traditionsgemäß die Sache aller – zumindest aller Männer. Es beschränkt sich nicht nur auf Kindheit und Jugend, es erstreckt sich über das ganze Leben.
Erinnerung
An das Schicksal der jüdischen Kinder nach dem „Anschluss“ 1938 in Rechnitz erinnert sich Frau H.: „Ich bin in die zweite Klasse gegangen, wie sie die Judenkinder fort haben. Aus der Klasse sind sie ausgeschieden worden. Wir haben das nicht verstanden. Meine Mutter ist immer zu einer jüdischen Familie, Steiner haben sie geheißen, zusammenräumen gegangen. Und das war dann schon verboten. Und mein Vater hat gesagt: ‚Du darfst nicht mehr hingehen, weil eines schönen Tages kommt das alles auf uns zurück.‘ Aber verstohlen ist sie trotzdem hingegangen. Weil die Frau, die war so unbeholfen. Und dann haben die nichts mehr zu essen gehabt, und wir haben ihnen Schmalzbrot gegeben, aber Schmalz haben sie nicht essen dürfen. Ganz traurig war das. Die Kinder haben zuhause bleiben müssen, die durften nicht mehr in die Schule gehen. Im Deutschen Reich war das so.“
Quelle: Schwarzmayer, Eva: Rechnitzer Geschichten. Oberwart 2000, S. 31.
Quellen
Literatur:
Brettl, Herbert: Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer - Täter - Gegner. Innsbruck 2012.
Schwarzmayer, Eva: Rechnitzer Geschichten. Oberwart 2000.
Temmel, Johann: Die jüdische Gemeinde in Rechnitz. In: Gombos/Gruber/Teuschler (Hgg.): „... und da sind sie auf einmal da gewesen.“ Zur Situation von Flüchtlingen in Österreich. Beispiel Rechnitz. Oberwart 1992, S. 69-102.
Internet:
http://schule.judentum.de/juedisches-lernen/lernen-01.htm (16.3.2015)