Im Bezirk Oberwart gab es vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten mehrere Ortschaften, in denen sich viele jüdische Familien ansiedelten. Zu den größten jüdischen Gemeinden zählten Stadtschlaining, Oberwart und Rechnitz, die auch eigene Gebetshäuser hatten. Auch Kemeten war für wenige Jüdinnen und Juden vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ihr Geburts- bzw. Heimatort.
Familie Gaspar
Familie Gaspar
So fiel auch die jüdischen Familie Gaspar aus Kemeten der Shoa zum Opfer.
Simon Gaspar, geboren am 1. Juni 1881 in Kemeten, lebte mit seiner Frau Nelly Gaspar, geboren am 7. Dezember 1898 in Hohenstadt, während der Machtergreifung des Nationalsozialisten in Österreich im Jahre 1938 in Wien. Der Handelsagent bewohnte mit seiner Frau und seiner Tochter, Ruth Gaspar, geboren am 15. April 1923, eine Wohnung in einem Gemeindebau in Wien-Leopoldstadt (Ybbsstraße 931/3/33). Nach dem sogenannten ‘Anschluss’ am 12. März 1938 folgten relativ zeitnah erste Schritte gegen die jüdische Bevölkerung Österreichs. So kam es im Juni desselben Jahres zu Kündigungsverfahren der nationalsozialistischen Wiener Stadtverwaltung von rund 2.000 Wohnungen jüdischer Mieter*innen. Auch der Familie Gaspar wurde mit 31. Juli 1938 die Wohnung gekündigt. Zuerst wurde die Räumungsfrist bis 31. August verlängert, dann genehmigte am 12. September das Bezirksgericht Wien-Leopoldau die zwangsweise Räumung, die letztendlich am 18. November 1938 vollzogen wurde.1
Bewilligung der zwangsweisen Räumung der Wohnung der Familie Gaspar. (Quelle: DÖW)
Bis zu ihrer Deportation von Simon und Nelly Gaspar nach Opole (heutiges Polen) am 15. Feber 1941 lebte die Familie in der Lichtenauergasse 4 in Wien-Leopoldstadt. Mit dem Datum ihrer Deportation verlischt auch jede weitere Spur.
In Opole trafen zwei Deportationstransporte mit insgesamt 2.003 jüdischen Menschen aus Wien ein, die in ein Ghetto gebracht wurden, das bis März 1941 ca. 8.000 Juden fasste. Die Insassen mussten sich Großteils selbst versorgen, durften das Ghetto jedoch nicht ohne behördliche Genehmigung verlassen. Ab Mai 1941 wurden ca. 800 Männer zur Zwangsarbeit eingesetzt. Im Frühjahr 1942 kam es dann zur Liquidation des Ghettos. Die Bewohner*innen wurden in verschiedene Vernichtungslager transportiert. Von den 2.003 deportieren Jüd*innen aus Wien sind nur 28 Überlebende bekannt.
Deportationsliste vom 15. Feber 1941, auf der auch Simon und Nelly Gaspar mit den Nummern 134 und 135 zu finden sind. (Quelle: DÖW)
Ihre Tochter, Ruth Gaspar, konnten anscheinend Österreich verlassen und überlebte im US-amerikanischen Exil.
1 DÖW - Erinnern - Fotos und Dokumente - 1938 - 1945 - Deportationen Wien - Opole, Februar 1941: "... in diesem elenden Nest" - Nelly Gaspar, Simon Gaspar: Zwangsweise Räumung (doew.at) (letzter Abruf: 2.6.2021)
Adi Fischer
Adi Fischer
Der am 2. Mai 1873 in Kemeten geborene Adi Fischer wohnte zur Zeit seiner Deportation im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Lilienbrunngasse 8/13. Viele, der nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus dem Burgenland vertriebenen jüdischen Familien, übersiedelten nach Wien, um von dort aus ihre Flucht in ein anderes Land, vorzugsweise Palästina, zu organisieren.
Am 6. Feber 1942 wurde Adi Fischer von Wien nach Riga deportiert. Dort war im September bzw. Oktober des Jahres 1941 ein Ghetto, das von einer Mauer umgeben war, eingerichtet worden. Schon im November und Dezember dieses Jahres waren dort viel zu viele Menschen, hauptsächlich lettischen Juden, aber auch ca. 400 vorwiegend älteren Personen aus Wien, zusammengepfercht. Um Platz für neue Transporte aus Deutschland und Österreich zu schaffen, wurden ca. 27.000 Personen erschossen. Aus Österreich trafen am 3. Dezember 1941, am 11. und 26. Jänner 1942 Transporte mit jüdischen Menschen ein. Der letzte Transport, in dem sich auch Adi Fischer befand, erfolgte am 6. Feber 1942. Als der Transport am Bahnhof ankam, wurden jenen Personen, denen der kilometerlange Marsch zum Ghetto zu beschwerlich erschien, ein Transport mittels Lastwagen angeboten. Bei diesen Lastwagen handelte es ich jedoch um Gaswagen. Von den mit diesem Transport rund 1.000 aus Wien Deportierten erreichen nur ca. 300 Personen das Ghetto. Aus Österreich wurden insgesamt rund 4.200 Jüdinnen und Juden in das Ghetto Riga deportiert.1
Deportationsliste vom 16. Feber 1942 nach Riga, auf der auch Adi Fischer mit der Nummer 960 zu finden ist. (Quelle: DÖW)
1 DÖW-online, Personensuche
Bernat Roth
Bernat Roth
Bernat Israel Roth wurde am 19. Feber 1878 in Kemeten geboren und lebte – wie auch die anderen aus Kemeten kommenden Juden – zum Zeitpunkt seiner Deportation mit seiner Familie in Wien. Dort bewohnte er mit seiner Frau und seiner Tochter eine Wohnung im zweiten Wiener Gemeindebezirk in der Novaragasse 38/11. Seine Frau Sofie Sara Roth wurde am 19. Jänner 1879 in Celkowitz im heutigen Tschechien geboren, seine Tochter Martha Sara Roth erblickte in Wien am 7. Jänner 1915 das Licht der Welt.1
Im November 1941 fand die erste Phase der Deportationen aus dem „Reich“ nach Minsk ihren Abschluss. Zwischen Mai und Oktober des Jahres 1942 folgten weitere 16 Züge mit mehr als 15.000 Menschen aus Wien, Königsberg, Theresienstadt und Köln, die in Minsk eintrafen. Die Anordnungen, die unter anderem von Reinhard Heydrich erlassen wurden, lauteten, dass alle Deportierten sofort nach ihrer Ankunft in einem Kiefernwäldchen nahe des Guts Maly Trostinec durch Schutzpolizisten und Angehörigen der Waffen-SS ermordet werden sollen.
Nachdem die Züge zwischen 4:00 Uhr und 7:00 Uhr Früh am Güterbahnhof in Minsk ankamen, wurden die Deportierten mit ihrem Gepäck ausgeladen und auf einen nahegelegenen Sammelplatz getrieben. Dort nahm man ihnen alle Geld- und Wertsachen ab und die Deportierten wurden weiter selektiert. Pro Transport wurden zwischen 20 und 50 Personen ausgewählt, die zur Zwangsarbeit auf dem Gut Maly Trostinec geeignet schienen. Die übrig gebliebenen Deportierten wurden auf Lastkraftwagen verfrachtet und zu einer ca. 18 Kilometer weit entfernte Grube gebracht, wo sie ermordet werden sollten. Ab etwa Anfang Juni 1942 wurden auch drei sogenannte „Gaswagen“ eingesetzt. Insgesamt wurden nach Maly Trostinec rund 8.700 österreichische Jüd*innen deportiert von denen nur 17 Überlebende bekannt sind.
Bernat, Sofie und Martha wurden am 20. Mai 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und mussten die Gräueltaten der Nazis erfahren, bevor sie am 26. Mai 1942 ermordet wurden.2
Deportationsliste vom 27. Mai 1942, auf der auch die Familie Roth gelistet ist. (Quelle: DÖW)
1 Auffällig sind die zweiten Vornamen der Familie Roth. Ab 1939 wurden die im Burgenland verbliebenen Jüd*innen dazu verpflichtet einen zusätzlichen Vornamen zu tragen. Männer mussten Israel als zweiten Vornamen verwenden, die Frauen Sara. (in: Brettl, Herbert: Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer. Täter. Gegner. Wien: 2012, S. 303.)
2 DÖW-online, Personensuche