Kontakte zur Bevölkerung wurden weitgehend vermieden, dennoch kam es vereinzelt vor, dass Ungarn für landwirtschaftliche Arbeiten an Bauern „verliehen“ wurden. Auch in diesen Fällen war der Umgang mit den jüdischen Zwangsarbeitern den Umständen entsprechend als halbwegs korrekt zu bezeichnen. Wer krank oder zu schwach zum Arbeiten war, durfte im Lager bleiben. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass von der Belegung des Lagers im Dezember bis zur Auflösung Ende März 1945 auch nur ein Ungar verstorben wäre! Die „Einhaltung gewisser Mindeststandards“, wie es der Überlebende Moshe Zairi1 bezeichnete, war keineswegs der Normalfall in den Lagern der ungarischen Juden entlang des Südostwalles.
Überlebender Moshe Zairi
Die Zustände variierten von Lager zu Lager und waren hauptsächlich vom Verhalten der Lagerleitung und der Wachmannschaft abhängig, deren Handlungsspielräume relativ groß gewesen sein dürften. Den Ungarn im Lager Deutsch-Schützen erschien ihr Leben nicht unmittelbar bedroht, und damit unterschied sich ihr Aufenthalt dort stark von ihren Erfahrungen aus der Zeit davor und danach. Deutsch-Schützen scheint eines der „erträglicheren“ Lager am Südostwall gewesen zu sein. Diese Situation änderte sich aber kurz vor dem 29. März 1945 schlagartig, als die vier SA-Bewacher spurlos verschwanden. Mittlerweile war die Front in unmittelbare Nähe gerückt, und man hörte bereits das Geschützfeuer. Die Ungarn blieben, abgesehn von der Aufsicht durch einige Jugendliche der HJ, weitgehend sich selbst überlassen. Kolonnen der Wehrmacht und Zivilisten auf ihrer Flucht nach Westen zogen durch den Ort. Und drei versprengte Angehörige der Waffen-SS (mindestens zwei von ihnen gehörten zur 5. SS-Panzergrenadier-Division „Wiking“) trafen am 28. März, nur Stunden vor der Roten Armee, in Deutsch-Schützen ein.
SS-Unterscharführer Adolf Storms
[1] Vgl. Walter Manoschek, „Dann bin ich ja ein Mörder!“, Göttingen 2015, S. 41.