Jüdische Gemeinde Lackenbach
Jüdische Gemeinde Lackenbach
Durch die Errichtung eines Kastells in den Jahren 1548 bis 1552 durch den Grundherren der Herrschaft Landsee entwickelte Lackenbach eine wirtschaftliche Bedeutung und die ersten Juden siedelten sich an. 1612 kam Lackenbach durch eine Heirat in den Besitz der Eszterházys und gehörte nun zu den Fürstlich Esterházyschen „Sieben-Gemeinden“ (hebräisch: Scheva Kehillot).1 Zu diesen Gemeinden zählten Eisenstadt, Deutschkreuz, Frauenkirchen, Kittsee, Kobersdorf, Mattersburg und Lackenbach, die unter dem Schutz des Fürstenhauses standen.2 1671 wurden die Juden durch Leopold I. ausgewiesen; sie, konnten sich aber bald danach wieder ansiedeln. So lebten 1735 wiederum 449 jüdische Personen im Ort, 1836 waren es 753 Personen; sie stellten somit 55 % der Lackenbacher Bevölkerung. Bis 1934 sank ihre Zahl jedoch, da ab 1860 eine Abwanderung der jüdischen Bevölkerung einsetzte.
Das jüdische Zentrum Lackenbachs befand sich im Viertel zwischen Hauptplatz, Bergstraße, Schlossgasse und Brunnengasse. In letzterer befand sich auch die Synagoge. In Lackenbach gab es auch eine gegen Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Talmudschule, ein rituelles Bad sowie den noch heute existierenden Friedhof, der mit 1770 Gräbern erhalten geblieben ist.3
Berggasse in Lackenbach, Jahr unbekannt - Sammlung Günter Welz
Am Abend der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März des Jahres 1938 wurden in Lackenbach alle jüdischen Geschäfte geplündert und kurze Zeit später ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung nach Wien zwangsumgesiedelt. Etwa 190 Jüdinnen und Juden, die in Lackenbach geboren worden waren, und bis 1938 dort lebten, kamen im Holocaust ums Leben.4
1 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland. Rundgänge durch die „Sieben Gemeinden“ (Scheva Kehillot) und die Gemeinden des Südburgenlandes.Eisenstadt: o.J., 24.
2 Israel A. Glück: Kindheit in Lackenbach. Jüdische Geschichte im Burgenland. Konstanz: 1998, 7.
3 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland, 24
4 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland, 24.
Jüdische Volksschule
Jüdische Volksschule
Vor der nationalsozialistischen Machtübernahme gab es konfessionelle Volksschulen. So existierte auch in fast jeder jüdischen Gemeinde des Burgenlandes eine jüdische Volksschule. Diese Schulen, die sich an der jüdischen Religion und Tradition orientierten, hatten besondere Rechte und wurden von den jeweiligen Gemeinden verwaltet. Neben dem Religionsunterricht, der im Hauptfokus der schulischen Bildung stand, wurden die hebräische Weisheitsliteratur in den Unterrichtssprachen Deutsch und Jiddisch gelehrt. Meist bestanden diese Schulen nur aus einer bzw. wenigen Klassen, in der alle oder ein Teil der Jahrgänge zugsammengezogen und gemeinsam unterrichtet wurden.1
1 Herbert Brettl: Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer. Täter. Gegner. Innsbruck, Wien [u.a.]: 2013, 2. Auflage, 155.
Jüdischer Friedhof
Jüdischer Friedhof
Der jüdische Friedhof befand sich unmittelbar neben dem NS-Zigeuner-Anhaltelager, wo auch die Opfer der Typhusepidemie (1941/42) in Massengräbern bestattet wurden.
Auf dem fast 10.000m2 großen Friedhof stammt der älteste Grabstein aus dem Jahr 1729. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 sind weitere 1747 Beerdigungen vermerkt.1
Auf dem Friedhof befindet sich auch das Grab von Arthur Schnitzlers Urgroßvater Markus Mordechai Schey. Schnitzler setzte ihm und seinem jüngeren Bruder, Baron Philipp Freiherr Schey, dessen Grab sich ebenfalls dort befindet, im Werk „Der Weg ins Freie“ ein literarisches Denkmal. Am Friedhof können zudem Gräber der bekannten Rabbiner-Dynastie Ullmann besucht werden.2
Jüdischer Friedhof Lackenbach - Sammlung RE.F.U.G.I.U.S
1 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland, 25.
2 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland, 24.
Synagoge
Synagoge
Die Synagoge in Lackenbach befand sich in der Brunnengasse und wurde 1942 gesprengt. Die baulichen Überreste mussten von den Häftlingen des Anhaltelagers Lackenbach dorthin transportiert werden, um damit das Lager zu erweitern. An die Synagoge erinnert heute nur mehr eine Gedenktafel.
Israel A. Glück beschreibt in Kindheit in Lackenbach seine Erinnerungen an die Synagoge:
„Vom breiten Eingang führten ein paar Stiegen hinunter in einen großen Vorraum. Von diesem ging links eine Treppe hinauf in die Frauenabteilung, rechts betrat man durch ein Portal die Männerschul. Der Geruch ausgebrannter Wachskerzen vom Vorabend erfüllte noch die Luft. Der riesige Saal mit der gewölbten Decke, die Fenster aus buntem Glas, der kunstvoll geschnitzte heilige Schrein mit den Thorarollen, darüber die beiden Steintafeln mit den zehn Geboten, all dies erfüllte mich mit tiefer Ehrfurcht. Ich saß neben Großpapa, lauschte andächtig dem Gesang des Kantors und dem lauten Beten der Gemeinde. Mein Blick konnte sich nicht satt sehen an den Wandmalereien mit dem Auszug aus Ägypten sowie anderen biblischen Szenen. Von der Decke hingen an dicken Ketten schwere Kupferleuchter. Alles war so feierlich, so außerirdisch. So ungefähr muss es im Himmel aussehen - stellte ich mir vor.“1
Mitten im Schulhof befand sich ein Brunnen, von dem alle Einwohner der Nachbarschaft, die keinen privaten Brunnen hatten, das Wasser holten.2
Synagoge Lackenbach - Sammlung Martina Supper
Viruelle Rekonstruktion des Innenraumes der Synagoge - (c) B. Gaugelhofer
1 Israel A. Glück: Kindheit in Lackenbach, 24.
2 Israel A. Glück: Kindheit in Lackenbach, 27.