Ernst Kautz
Rohonczys entschlossenes Handeln war Vorbild für andere Betreiber von nahegelegenen Gutswirtschaften, es ihm gleich zu tun. Ein guter Bekannter von Rohonczy war der Gutspächter des damaligen Esterházyschen Meierhofes in Unterpullendorf/ Dolnja Pulja, Ernst Kautz. Kautz wurde am 8.3.1908 in Raiding/ Doborján in eine bäuerliche Familie geboren. Er wurde Agrarfachmann und lernte Dreschmaschinen zu bedienen.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte er die Wahl zwischen dem Dienst mit der Waffe oder der Übernahme des desolaten Meierhofes in Unterpullendorf, um „für die Soldaten Brot zu erzeugen“.
Kautz wurde 1940 schließlich Pächter des Meierhofes. Sein Vater schenkte ihm zwei Kühe und einen Traktor. Wegen des Mangels an männlichen Arbeitskräften zu dieser Zeit wären Kautz und seine Frau auf Dauer alleine nicht in der Lage gewesen, dieses Anwesen zu bewirtschaften.
Kautz tat es dem Baron Rohonczy gleich und begab sich 1943 nach Lackenbach, um dort ein paar Roma als Landarbeiter anzufordern. Im Lager Lackenbach traf Kautz auf Géza Horvath, einen Rom aus Langental, den er als Musiker von den Kirtagen her gut kannte und sagte ihm: „Géza, ich hole dich da raus, du brauchst keine Angst haben. Deine ganze Familie hole ich da raus!“
Schließlich holte Kautz vier komplette Roma-Familien – unter dem Vorwand, dass auch Frauen und Kinder dort Arbeit zu verrichten hätten - aus dem Lager und brachte sie auf den Unterpullendorfer Meierhof. Darunter die Familie des Géza und Katharina Horvath mit 7 Kindern aus Langental/Longitolj, Waldgasse 49, und eine Familie aus Girm. Ernst Kautz rettete ihnen so das Leben.
Später gab Willi, genannt Schompi, das sechste Kind der Familie Horvath zu Protokoll: „Der Gutspächter Kautz hat uns alle, weil er uns aus dem Lager auf den Meierhof geholt hat, vor der Deportation in ein Vernichtungslager der Nazis bewahrt – was wir ihm auch nie vergessen werden!“
Der Meierhof
Der Meierhof fungierte den ganzen Weltkrieg über als sicheres Refugium für die dortigen Rom:nja. Ernst Kautz selbst wurde deswegen nie von den Nationalsozialisten in irgendeiner Art und Weise behelligt. Kautz und seine Rom*nja bewirtschafteten den Meierhof und verwandelten ihn gemeinsam in ein blühendes Gut. Es war ein Miteinander auf Augenhöhe. Eine große Familie, in der man gemeinsam arbeitete und füreinander sorgte. Die Erwachsenen arbeiteten im Haus, in den Ställen und auf den Feldern und wurden stets gut behandelt. Die über 20-köpfige Kinderschar beschäftigte sich selbst. Die Kinder waren einfach nur Kinder, denn in die Schule durften sie ja nicht.
Als schließlich die Rote Armee in den Ostertagen 1945 den Meierhof erreichte, mussten sich alle am Hofe Anwesenden in einer Reihe aufstellen. Die Russen hielten Kautz wechselweise für einen buržuji – einen Bourgeois – oder einen Anhänger Hitlers und wollten ihn erschießen. Daraufhin kniete Katharina, die Frau von Géza Horvath, genannt Gezinka, vor dem russischen Kommandanten nieder und flehte ihn an, diesen guten Mann nicht zu töten, weil er ihre gesamte Familie vor den Nationalsozialisten gerettet hatte. Der Russe gehorchte ihrer Bitte und krümmte Kautz kein Haar. “Du hast unser Leben gerettet, jetzt konnte ich deines retten!“, sagte Gezinka zu Kautz. Als wenig später ein alkoholisierter russischer Soldat sich anschickte Kautz dennoch zu erschießen schlug ihm Laci, ein Sohn von Gezinka das Gewehr weg und rettete somit ebenfalls das Leben des „Chefs“, wie Kautz von den Rom*nja damals respektvoll genannt wurde.
Besatzungszeit
Während der russischen Besatzungszeit zog Ernst Kautz mit seiner Frau und seinen drei Töchtern nach 12 Jahren am Meierhof nach Kleinwarasdorf, wo sie 1953 das damalige kleine Gemeindegasthaus kauften und 1955 übernahmen. Seither wird es als Familienbetrieb geführt.
Den Kontakt mit seinen Roma hielt Kautz jahrzehntelang aufrecht. Oft spielten die Musiker-Söhne von Géza und Katharina Horvath – Géza junior, Laci, Sándor, Willi, Franzi und Hansi - am Kirtag im Kleinwarasdorfer Wirtshaus. Kautz‘ Frau Marica verstarb im Sommer 1984. Roma-Musiker spielten an ihrem Grab. Ernst Kautz verschied im Sommer 1993. Wieder kamen die Roma-Musiker.